Seit dem Jahr 2018 benutze ich den Rollstuhl zuverlässig zuhause, auf allen Wegen und in jeder neuen Situation. Ted, so heißt er, ist ein wunderbarer Begleiter seiner Zunft der Erstversorgungsgefährten. Das habe ich sehr schätzen gelernt, doch mit der Zeit und den Jahren sind Kenntnisse und Besonderheiten hinzugekommen. Die nutzbaren Geräte zum Zusatzantrieb haben sich verändert, der Rollstuhl- Rücken wurde angepasst und die Sitzkissen sind andere als zuvor. All das hat Ted gern mitgemacht.

Ich schaue mich nun um nach einem neueren oder anderen Modell, bei dem nicht alles wie im Setzkasten zusammengesetzt ist und nach und nach ergänzt oder ausgetauscht wurde, sondern der von Anfang an passender auf mich zugeschnitten ist. Ein Rollstuhl, der nicht so viel Eigengewicht mitbringt, im Rahmen aber dennoch robust ist, da ein Zuggerät genutzt wird und Straßen sowie Gehwege mehrheitlich schon besseren Zustand hatten als heutzutage üblich.

Auch wenn ich nicht mehr wie eine Anfängerin auf Rädern bin, bin ich noch erstaunlich unbedarft was Rahmenbau, Sitzwinkel, Radstand und manches andere angeht. Ich hangele mich von ausprobieren über Prospekte schauen, Videos schauen und EMails mit Nachfragen verfassen durch die Landschaft der Rollstuhlhersteller. Überrascht davon, dass es darauf kaum Rückantworten gibt, das über das Sanitätsfachgeschäft kein Rollstuhl meines Interesses zu besorgen geht und das auf Messen nicht immer alle Firmen vertreten sind, frage ich mich nun, wie kann es denn gehen mit dem Testen, Ausprobieren und Erfahren der Eigenheiten von Starrahmen und Faltmodell, von hybrid und normal, von exklusiv neu und am besten geeignet?

Zudem habe ich keinen Querschnitt, Muskeldystrophie oder vergleichbares „vorzuweisen“, bei dem die verschiedenen Modelle vielleicht im Vorfeld schon aufgrund der Anforderungen durch die Krankheit oder die Einschränkung aussortiert werden könnten. Ich möchte hier keinesfalls missverstanden werden, ich wünsche jedem Menschen die für ihn best passende Versorgung und Unterstützung, die nötig und erforderlich ist, um so wenig zusätzliche Einschränkungen, Kompromisse oder Schmerzen in Kauf nehmen zu müssen. Hier fehlt mir wieder deutlich die Peergroup, bestehend aus anderen Rollisten, mit denen ich fachsimpeln und beraten könnte, weshalb ich eher auf andere meist einseitige Informationsquellen zurückgreifen muss, um an Antworten zu gelangen.

Was soll es denn sein?

Natürlich weiß ich um die Unterschiede eines Starrahmens gegenüber eines Faltbaren, besonders, wenn es auch um die Mitnahme des Rollis im Kofferraum oder auf der Rückbank geht, zusätzlich zum Handling des Rollis. Auch das Gewicht des Stuhls sollte nicht so groß sein, denn mit dem hohen Jay-Rücken, den ich bisher nutze, kommt nochmal Zusatzgewicht drauf und auch manche Sitzkissen sind schwerer als andere.

An manchen Tagen an denen ich begleitet unterwegs bin und lange sitze, wünschte ich mir eine Sitzkantelung oder etwas, um dynamischer / ergonomischer zu sitzen, wenn mich niemand in den Stand ziehen kann oder ich eine Liegepause einlegen kann. Genauso wäre ich hin und wieder dankbar für ein Brustgurt, weil die Oberkörperstabilität fehlt und dann zuwenig Unterstützung da ist, die mich hält. Das ist jedoch nicht die Regel bzgl. der Ausfälle, zum Glück! Und dennoch, wenn es mal wieder öfter vorkommt, fluche ich darüber und sehne ein Bett herbei.

Dann sehe ich mir Broschüren an oder lese Interviews und bin einerseits dankbar für diesen Wissenszuwachs und andererseits nervt es mich sosehr, dass häufig nur das willensstarke, beruflich oder sportlich erfolgreiche, hübsche, körperlich zierliche und ohne jeden äußeren Makel dargestellte „Persönchen“ im Rollstuhl vermarktet und verkauft wird, anstatt gleichsam der etwas übergewichtige oder nicht so hübsche Durchschnittsmensch mit Alltagssorgen und Alltagsschwierigkeiten. Derjenige ohne eben den tollen Sportbackground, beispielsweise in einer Para-Olympiamannschaft oder eines Ausnahmetalents. Genauso ärgert es mich in Videos, dass hauptsächlich nur gutaussehende Rollisten beschwingt mit unterschiedlichen Zuggeräten oder Handbikes zügig oder elegant im Dorf zum Bäcker fahren, auf dem Markt Blumen holen oder entspannt zum einkaufen rollen. Wo bitte ist das denn Realität? Wo bitte dient das denn zur Identifikationsmöglichkeit für einen „normalen“ Rollstuhlfahrer, der mit Spastik zu kämpfen hat oder der sich motorisch nicht so gut steuern kann, oder jemandem der keine Sitzbreite von 36 oder 38 hat? Ja, ich bin da empfindlich, ich habe da meist nicht das Selbstbewusstsein, um einfach „drüber-zu-stehen“. Warum braucht es auch hier in dieser Branche die gutaussehenden, erfolgshungrigen, „never give up“ – Menschen, um Produkte für eben diese Personengruppe „Menschen mit Behinderung“ zu verkaufen oder attraktiv zu machen? Selbst ich als Mensch mit Behinderung fühle mich da wie Mensch zweiter oder dritter Klasse, weil ich noch nicht mal mit dem „persönlichen Aushängeschild“ oder „Werbebotschafter“ oder „Rollstuhl-Star“ mithalten kann. Vielleicht habe ich es einfach nur zu wenig gewollt? getreu dem Slogan „Du kannst alles erreichen, wenn Du nur willst“! und „die Welt steht Dir offen“!

Ich bin vom Thema abgekommen, ich habe mich gerade hinreißen lassen und meine unterschwellige Wut hatte ihren Auftritt. Entschuldige bitte. Zurück zum Thema:

Es ist September 2023, seit einigen Monaten (oder Jahren?) machen Lieferengpässe, fehlendes Material und weitere andere Gründe manche Bestellung langwierig, manchen Wunsch derzeit nicht erfüllbar und manches Test- und Informationsvorhaben nicht direkt möglich. Ich als Endkunde oder Endverbraucher kann nur spekulieren oder vermuten und hinnehmen, was mir gesagt wird, denn etwas anderes habe ich nicht. Natürlich kann ich darauf warten und hoffen, dass die großen Firmen im nächsten Jahr in Hamburg auf der IRMA und Düsseldorf auf der RehaCare wieder mitmachen, um dann ausprobieren zu können oder ich schau mir die kleineren Hersteller an und knüpfe dorthin Kontakte. Vielleicht ist das „nicht – Erreichen“ der Großen ja sogar mein Glück?

Allerdings habe ich auf Messen immer gerade das am besten gefunden, dass ich direkt in Augenschein nehmen konnte, was ich online zuvor schon gesehen hatte und ausprobieren und testen konnte und Fragen stellen, die eben außerhalb von den gewöhnlichen Fragen liegen. Alles direkt, mit Antwort, mit Menschen von Angesicht zu Angesicht. Das ist für mich wie Support!

Und wenn dann zukünftig am Rahmen des anderen Rollstuhls noch eine kleine Tasche für Handy und Geld Platz bekommen könnte, anstatt alles weiterhin hinten im Rucksack, bin ich wieder auf Jahre glücklich, schätze ich.

Du kennst die beschriebene Situation auch? Erzähl mir gern davon.

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