Ganz zufällig traf ich heute in der Stadt zwei Redakteure, die unter den Passanten eine Umfrage zum persönlichen Empfinden „wie glücklich sind Sie in dieser Stadt?“ machten. Ich fuhr ihnen sozusagen zunächst ganz ungewollt vor ihr Mikrofon. Nun ja, ich bin Interviews nicht gänzlich abgeneigt und da es nicht vorsätzlich um politische Themen ging, stimmte ich einer Befragung zu.
Wie glücklich bin ich in dieser Stadt? Meine Antwort war “ ich bin eher frustriert als glücklich“ und schrieb meine Antwort ausführlicher auf dem ipad weiter. Natürlich weiß ich, dass glücklich sein eher eine Einstellungssache und eine Befindlichkeitsfrage ist und man selbst einiges dafür tun kann, um sich allgemein glücklich zu fühlen – unabhängig vom vielen Regenwetter beispielsweise, was einem schnell mal die Stimmung vermiest.
Aber wirklich glücklich bin ich dort, wo ich Freunde hätte und gemeinsam mit ihnen Zeit verbringen dürfte, zusammen in der Natur sein, die Füße auf die blumige Wiese stellen könnte oder in den kühlen Bach. Wo Gespräche in die Tiefe gehen könnten, ohne dass sich Streit entwickelte. Glück erlebe ich wenn ich zusammen mit anderen lachen kann und Gemeinsamkeiten entdecke. Glück ist aber auch wenn wir zusammen so viele Münzen haben, um unser liebstes Stileis kaufen zu können oder wenn eine große Schnecke mit Haus gerade vor mir den Weg kreuzt. Solche Kleinigkeiten reichen schon aus, um Glück zu empfinden, soweit meine Erinnerung, soweit zur Theorie.
Es gibt einen Garten, auch eine bequeme Sitzgelegenheit für mich, jedoch besser mit Kopfhörer, weil Nachbarn streiten, weil Sirenenautos fahren, weil Hunde bellen. Es gibt ein schönes Eiscafe aber auch viele Menschen die sich nicht gut benehmen, Autos die extra laut dröhnend durch die Straßen fahren. Oft wünschte ich mir eine Freundin würde anrufen oder mich einladen, dann versuche ich selbst Freunde zu finden und scheitere an der gewissen Unselbständigkeit, der umständlichen Art des Kontakt aufnehmens.
Wo in der Stadt sind gute Treffpunkte für Menschen, die sich einsam fühlen, wo kann ich Menschen begegnen, die ähnliche Interessen haben. Wo sind andere Menschen, die eine gewisse Offenheit mitbringen?
In dieser Stadt könnte es deutlich schöner sein, Hausfassaden gepflegter, Gehwege vermehrt ohne Erbrochenes oder Hundekot, Geschäftsgebäude ohne Leerstand, Straßen weniger vermüllt, Menschen verantwortungsbewusster und umsichtiger in ihrem Verhalten in Bezug auf Müll, Autorennen und Lärmbelästigung, aber offenbar gehört dieses Egoistische einfach zur Innenstadt dazu – obwohl es kaum jemandem gefällt und es „natürlich“ auch niemand macht.
Glücklich bin ich in dieser Stadt sehr selten, aber ich freue mich über jede kleine oder größere Erwiderung meiner Aufmerksamkeit durch andere. Es braucht einfach wieder mehr Wohnqualität und mehr Orte, die sich gemeinsam zum besseren gestalten lassen, ohne kurze Zeit später zerstört oder besprüht zu werden. Einst hatte diese Stadt sehr viel Schönes, in alten Foto-Bildbänden lässt sich das erkennen, nun ist es eine andere Zeit und wohl auch eine andere Bedeutung von Schön.
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