Ich vergleiche beide Inseln aufgrund der Barrierefreiheit und dem Komfort für Rollstuhlfahrer. Dabei bin ich ein Rollist, der oft Unterstützung unterwegs benötigt und keinesfalls mit einem trainierten und ausbalancierten Rollstuhlfahrer vergleichbar ist. Dennoch sind gewisse Kriterien der Erreichbarkeit und der Wege Beschaffenheit für alle Rollstuhlfahrer wichtig, meine ich zu behaupten.
Los gehts! Mein erster Blick geht nach Borkum!
Borkum ist eine wirklich große Insel denke ich bei mir, während ich – im Auto als Beifahrer alle Zeit habe, mich gründlich umzusehen – von der Fähre auf die Insel komme. Straßen wie auf dem Festland, Weite der Landschaft, zahlreiche mehrstöckige Häuser, Inselbahn, Autos…. Fast genau wie auf Norderney fällt mir da ein. Weil noch nicht Saison ist, kommen wir mit dem Auto sehr bequem bis zum Feriendorf zu unserer Unterkunft. Borkum lässt zwar Autos zu, man merkt aber deutlich an den Regeln und Gebühren, dass das Auto besser auf dem Festland geblieben wäre. Rollstuhlfahrer mit eigenem Auto zählen zur Ausnahme!
Auf dem Weg durch den Ortskern in Richtung Promenade und Strand bin ich froh, mein Zuggerät dabei zu haben, denn die Straßen und Fußgängerwege sind vielfach mit roten länglichen Klinkersteinen gepflastert und haben mitunter starke Erhebungen und Absenkungen. Manche Fußgängerwege enden abrupt. Zum Glück fahren im Ortskern kaum Autos, so dass ich ohne Schwierigkeiten immer die Straßen benutzen kann. Ich überquere die Schienen der Inselbahn und steuere die zweite Einkaufs- und Boutiquenstraße hinauf zur Promenade.
Es gibt zu beiden Seiten Lädchen, Imbiss-Lokale, Bekleidungsgeschäfte. Vieles davon hat noch geschlossen. An manchen Eingängen sehe ich Rampen, vermehrt aber auch Stufen oder schmale Eingänge. Nun ja, es mag anders sein, wenn die Saison beginnt und die Geschäfte ihre Waren auch draußen präsentieren. Borkum ist auf jeden Fall eine Adresse, wenn es um Kurkliniken, Mutter-Vater-Kind Häuser und um medizinische Fachkliniken geht. Daher denke ich, dass Kinderwagen und Buggys durchaus auch zu den zu erwartenden Gefährten gehören, die von den Eltern durch die Stadt geschoben und sicherlich auch mit in so manchen Laden genommen werden wollen.
Ebenfalls sehr zu betonen ist das zahlreiche Fahrrad-Verleih-Angebot auf dieser Insel, die vielfach, zumindest laut Webseitenauskunft, auch Spezialräder für Rollstuhlfahrer im Sortiment haben. Das finde ich wirklich sehr gut, denn Borkum ist aufgrund seiner Weite und Breite und dem ganzen Fahrradwege-Netz sicherlich hervorragend zu beradeln. Saisonstart ist üblicherweise wohl Mitte März, was mir zahlreiche Aushänge in den Fenstern der Gastro, Dienstleistern und Boutiquen verrieten.



Zurück zur Promenade! Herrlich, die Aussicht zu beiden Seiten, herrlich ebenmäßig auch die Wege und Zugänge zur unteren Promenade. Linke Hand geht es auf kurzer Distanz zum „Gezeitenland“, einem tollen barrierefreien Hallenbad, was auf Rollstuhlfahrer eingestellt ist und einen Duschrolli zum umsteigen bereit hält sowie zusätzlich auch einen Korbsitz, um mit Lift ins Wasser zu kommen. Perfekt! Das Salzwasser im Schwimmerbecken ist 27,5 Grad warm und förderlich beim Auftrieb. Ich habe beides genutzt und hatte dadurch einen unglaublichen Schwimm – Nachmittag, wie seit Jahren nicht mehr. Die Badeaufsicht ist zuvorkommend, hilfsbereit und wirklich freundlich.
Um den Strandrolli „cadweazle“ (der mit Akku selbst fährt und ein Solardach hat) zu leihen, wendet man sich am besten an die Spielinsel, die als drittes neben der KulturInsel und dem Gezeitenland angegliedert ist. Wie es in der Saison damit steht, weiß ich nicht. Auch zur Spielinsel sowie Kulturinsel kommt man mit Rollstuhl ohne Probleme. Natürlich mache ich eine Strand-Tour mit dem cadweazle und steuere das schwere Gefährt per Joystick nach rechts die Promenade entlang, bis ich eine fast ebenerdige Passage zum Strand finde und diese auch nutze. Das kuriose an Borkum ist, dass der Strand ewig lang, sehr breit und aus Prielen, Sandbänken und Dünen besteht. Um dort hin zu kommen, wo die Nordseewellen an den Strand rollen, muss man erst sehr weit laufen, egal ob Ebbe oder Flut ist. Dafür eignen sich die breiten Strandflächen aber sehr zum Strandsegeln. Auch für Rollstuhlfahrer wird das in der wärmeren Jahreszeit angeboten und hat mich sehr neugierig gemacht.
Die Promenade rechte Hand entlang (oder parallel im Sand) führt am Musikpavillon vorbei, an dem auch Strandcafes, Restaurants sowie eine Art Markthalle sich aneinander reihen und mit Rollstuhl erreichbar sind (Vorsicht bei sandigen Zugängen, die etwas steil sind und rutschig werden). Ich fahre also mit dem Gefährt weiter am Strand entlang während der Promenadenweg sich durch die Dünen erstreckt. Folgt man diesem Weg zu Fuß oder mit dem Rad kommt man zu einem begehrten Ausflugs Cafe. Natürlich ist das Inselende damit noch nicht erreicht. Es geht noch viel weiter. Ich kehre jedoch um und fahre zurück zum Ausgangspunkt „Musikpavillon“.
Erwähnen möchte ich weiterhin, dass es zahlreiche Bänke und Buchten gibt, an denen man Rast machen kann, linke Seite wie rechte. Ein Besuch wert ist mir auch das barrierefrei zertifizierte Meeres Aquarium, welches klein aber voller Möglichkeiten steckt und deren Betreiber wirklich tolle Geschichten von Erlebnissen mit Quallen, Strandgut und See-Rettung zu erzählen wissen. Für Rollstuhlfahrende endet die Promenade bei der „heimlichen Liebe“, das Lokal ist nur über Treppen zu erreichen und der weitere Strandpfad ist sandig. Auch der Strand unterscheidet sich hier vom Strand aus der anderen Richtung, denn Steinwege trennen hier die Strandabschnitte voneinander. Es ist daher nicht ratsam, den Strand mit dem „cadweazle“ befahren zu wollen, da es weder einen ebenerdigen Zugang dazu gibt noch eine Möglichkeit, die Steinmauern zu überwinden.
Ich war nicht lang genug Gast dieser Insel, um das meiste zu sehen, ich war zu keiner optimalen Reisezeit (Februar) auf der Insel, da noch vieles erst vorbereitet wurde, instand gesetzt und renoviert wurde oder einfach geschlossen war. Was ich aber sagen kann, dass es für überwiegend selbstständige Rollifahrer durchaus eine tolle Urlaubs- und Auszeitlocation sein kann. Ein Zuggerät oder ein Schubantrieb am Rollstuhl sind auf der Insel wahrlich ein Gewinn aufgrund der hubbeligen Wege, und recht steilen Aufgänge an der Promenade. Supermarkt und Bioläden sind barrierefrei erreichbar, zahlreiche Cafes im Ort sind es ebenfalls. Der Euro-Schlüssel für die öffentlichen WCs ist ein guter Begleiter. Borkum hat ein extra Heft für Menschen mit Handicap erstellt, in denen man zahlreiche Infos von A-Z findet, was ebenfalls nützlich für den Aufenthalt ist. Genauso verhält es sich mit dem Wege-Guide, der von Schülern erstellt wurde, um Wege im Ort und am Strand auf Rollstuhleignung und „nicht geeignet“ zu kennzeichnen
Für mich ist Borkum eine Herausforderung gewesen, durchaus mit Highlights und Potential. Ob ich nochmal auf der Insel zu Gast sein werde, ist noch nicht entschieden.
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Hallo Jaani,
wir haben Deine Reisenotizen über Borkum mit viel Freude gelesen. Es ist spannend geschrieben und man lässt sich gerne mittreiben in deiner Begeisterung für Borkum. Da kommt manche Erinnerung wieder zum Vorschein als wir selber auf Borkum waren. Sind auch freudig überrascht was für die Rollisten doch alles angeboten wird. Vielleicht solltest Du mal in der etwas wärmeren Zeit (Vor oder Nachsaison) Borkum erleben.
Haben auch deine andern Berichte, Eislaufen und KLangkissen mit Begeisterung gelesen und freuen uns über deine vielfältigen Interessen und wie Du sie wahr genommen hast.
Wir wünschen Dir weiterhin viel Lust und Freude in Deinen Unternehmungen.