Deutlich verstärkte Körpersprache und Mimik, wenn die Lautsprache fehlt!
Wenn Menschen plötzlich oder absehbar auf einen ihrer Sinne verzichten müssen, oder dieser komplett ausfällt, dann lässt sich nach einer Weile eine interessante Verschiebung der Ausprägungen und Wahrnehmungsfeinheiten beobachten. Ich möchte behaupten, dass dies geschieht, weil die betreffende Person ihren Fokus neu setzt.
Ich selbst kann feststellen, dass sich auch in meiner Art der Kommunikation nach außen zu anderen Menschen vieles verändert hat. Doch bevor ich weiter darüber erzähle, möchte ich Dich zunächst in der Geschichte etwas mit zurücknehmen. Mein ausgeprägtester und damit auch empfindlichster Sinn ist das Gehör. Mit erzählten Geschichten beispielsweise vom Hörbuch oder von vorgelesenen Bilderbüchern fühle ich mich wohl, über Gespräche mit anderen stelle und gestalte ich hauptsächlich die Beziehungen zu ihnen her. Das mag gerade etwas befremdlich klingen, wenn das Felix kompad größtenteils für mich spricht, aber ich höre jederzeit, was der andere sagt und darüber hinaus auch, wie der andere durch seine gewählten Worte, durch die Lautstärke und Satzmelodie bzw. Sprachklang ist. Das alleine für sich genommen ist schon sehr vielschichtig.
Es ist gar nicht so selten, dass ich anderen noch unbekannten Menschen erst einmal nicht bis in ihr Gesicht folge, sondern sie erst auf andere Art erlebe, zumeist bei den Schuhen angefangen. Ich schaue nach Farben der Kleidung, interessiere mich für die Materialien und konzentriere mich parallel auf ihre Stimme. Das Gesicht ist mir an Informationen hin und wieder einfach zu viel, zusätzlich. Mit Geringschätzung oder Respektlosigkeit dem Anderen gegenüber oder gar mit Schüchternheit meinerseits hat dieses Verhalten nichts zu tun – eher mit Informationsverarbeitung und Auswertung. Ich weiß, dass das womöglich ungewöhnlich ist und zu Irritationen führt.
Dennoch ist Sprache und Austausch für mich sehr wichtig, existenziell vielleicht sogar. Warum also jetzt diese Vorgeschichte fragst Du Dich? Nun, die Sprache hat sich überwiegend zurückgezogen, andere Sinne und andere Kanäle werden daher aktiviert, das Fehlende bestmöglichst auszugleichen, um weiterhin im Gespräch bleiben zu können und Gespräche mit anderen anfangen zu können.
Der Körper lügt nie, er verrät uns immer zahlreiches über den Menschen, seine Vitalität und Kraft, seine Aufmerksamkeit, sein Interesse, die Sympathie und vieles mehr, negativ wie positiv. Natürlich bin ich davon genauso betroffen, wie jeder andere Mensch auch. Um zu kompensieren, dass mündliche Sprache eher nicht abrufbar ist, verstärke ich die Mimik und die Körpersprache deutlich. Zahlreiche Reaktionen anderer Menschen auf mich haben mir das plausibel gemacht und vielleicht auch erst wirklich bewusst.
„Jetzt schau doch nicht so ernst!“, oder das vorwurfsvolle „was passt Dir denn schon wieder nicht?“ des anderen auf ein bzw. mein entsprechendes Gesicht oder meinen geräuschvollen Ausatmer werden zu 99% aller Fälle persönlich genommen, anstatt auf die Situation bezogen. Mehrheitlich bin ich nämlich damit beschäftigt für mich selbst Informationen auszuwerten, mir Gedanken über die nächsten Schritte zu machen oder nach Erleichterungen für gemeinsame Wege zu suchen, was sich als ernstes Gesicht darstellt oder auch als geräuschvolle Reaktion des „gedanklichen Verwerfens einer scheinbaren Lösung“ die der andere mir vom Gesichtsausdruck übel nimmt.
Es geht aber auch anders: Ich bin wütend, ärgerlich oder auch traurig aufgrund einer Verzweiflung und zeige das ganz selbstverständlich auch nach außen, in dem ich angespannt bin, auf ein Kissen haue, die Hände balle oder weine. Ich kann hier nur vermuten, dass es jeweils ein direkter sichtbarer Ausdruck ist, der in der Art und Intensität vielleicht ähnlich ungewöhnlich ist, so dass es „schrecklich“ wirkt oder zu intensiv. Gefühle dieser Art lassen sich nicht wohlüberlegt und selbstbeherrscht ins kompad tippen, richtig? Ich kann sie deshalb nur zeigen und hoffen, dass der andere sie mit mir zusammen aushalten kann ohne sie mit „jetzt komm mal wieder runter!“ oder „reiß Dich mal zusammen!“ oder „es gibt doch gar keinen Grund jetzt so zu sein!“ wegzuwischen – was mein persönlicher worst case ist.
Natürlich sind das extremere Gefühlszustände, schon klar, ich will aber auf einen entscheidenden Unterschied hinweisen. Jemand mit ständiger Sprache wird vermutlich auch solche Phasen ganz anders kommunizieren und zeigen als jemand, der lautsprachlich begrenzt ist. Einfach deshalb, weil auch die Möglichkeiten begrenzt sind, sich mitzuteilen, Gründe für das Verhalten nennen zu können, Auslöser und Ursache klar auszumachen und Störquellen vielleicht ausschalten zu können.
In vielerlei Situationen nimmt also das Gehör alles mögliche wahr und kann nicht abschalten, die Augen registrieren Bewegung, Licht, Farben, die Haut registriert Berührung oder Druck, Reibung, Enge durch Kleidung, die Nase vernimmt Düfte, Gerüche und Gestank und all das will ausgedrückt und mitgeteilt werden, am idealsten eben per Sprache und situativ spontan. Bei mir dann über den Körper, über die Mimik, über Laute, impulsiv, situativ und direkt.
Bist Du jemand, der unterstützt kommuniziert und ähnliche Erfahrungen macht, kennst Du auch die zahlreichen situativen Missverständnisse im zusammensein mit Anderen? Ich freue mich auf Deinen Kommentar oder Deine Nachricht an mich.
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