Seit Oktober letzten Jahres kommuniziere ich mit Hilfe eines Ipads, genauer gesagt, einem kompad namens Felix. Felix heißt er nur deswegen, weil ich ihm den Namen gegeben habe, nicht etwa, weil das sein Gerätename des Herstellers wäre. Davor hatte ich einige Jahre lang ein Ipad mini, was im Funktions- und Softwaremanagement nicht so umfangreich ausgestattet war wie Felix jetzt.

Es ist ein vielseitiges und auch farbenfrohes Gerät, mit dem ich meine Mitwelt wissen lasse, was mir gefällt, was mir schmeckt oder was meine wichtigsten Bedürfnisse sind. Neben den Aussagen natürlich, die ich dann anklicke, wenn ich mit etwas überhaupt nicht zufrieden bin oder wenn im Gedränge der Menschen kein Durchkommen ist. Am idealsten vertritt mich die Kinderstimme Lea dabei. Natürlich habe ich auch die zahlreichen erwachsenen Stimmen angehört, aber so ist mein Wesen nicht. Daher fiel die Entscheidung sehr schnell und einstimmig auf Lea.

Ich „rede“ gern und auch viel und am liebsten ausführlich und bin dabei so genau wie möglich. Ich merke deutlich, wie sich meine Art der Kommunikation mit anderen Menschen, Freunden wie Fremden verändert hat durch die Benutzung dieser technischen Hilfsmittel und Geräte. Im Vergleich dazu waren die Jahre mit unbegrenzter Lautsprache zu jeder Zeit tatsächlich viel weniger bewusst und fokussiert.

Freunde anrufen und sich verabreden – jederzeit möglich, Informationen einholen um etwas auf den weg zu bringen – jederzeit möglich, Öffnungszeiten zu Veranstaltungen erfragen auch das mit Stimme über das Telefon – jederzeit möglich. Jetzt läuft der Hase anders, genauer gesagt, seit einigen Jahren bereits. Wenn ich auf die Idee komme, beispielsweise eine Rollifahrer-Jeans zu bestellen und wegen der Größen-Tabelle im Service des Onlineshops anrufen will, beschäftigen mich gleich mehrere Schwierigkeiten:

Ich bin aufgeregt wegen dem bevorstehenden Anruf, ich suche das Themenfeld „Telefonieren“ auf dem kompad und erhöhe die Lautstärke der Vorlesestimme. Mein Herz klopft, meine Finger sind etwas zittrig und ich merke die Anspannung, die sich in meinem Körper ausbreitet. Ich habe für die meisten Fragen und Antworten vorgefertigte Sätze und Symbole erstellt, doch was, wenn mein Telefongesprächspartner einfach auflegt, nachdem er hört „Hallo, mein Name ist Jaani, ich spreche mit Hilfe eines technischen Kommunikationsgeräts, bitte legen Sie nicht auf..“ Dann, ja dann nützt mir auch das beste Telefon-Set nicht viel.

Ich wähle also die Nummer und es tutet, mein Herz klopft jetzt deutlicher, meine Finger sind kalt. Auf der anderen Seite nimmt jemand den Hörer ab und stellt sich vor. Ich warte ab und drücke der Reihe nach meine Sätze. Ich bin gespannt auf die Reaktion. Die freundliche Frauenstimme am Hörer scheint zu lächeln und sie reagiert wundervoll. „Ich bleibe am Telefon, ich lege nicht auf, wie kann ich helfen fragt sie mich“. Ich bin gerührt und freudig aufgrund der ganz normalen Reaktion. Es ist so wie es sein sollte und ich klicke weitere Sätze an, um mitzuteilen, dass ich eine Rollifahrer Hose bestellen möchte aber mit den Größen unsicher bin. Sie spricht etwas langsamer für mich, im Hintergrund ist Stille, wir können uns beide gut verstehen und ich habe ausreichend Zeit zum Antworten. Ich liebe es, wenn es so abläuft.

Leider gibt es auch die anderen Erfahrungen beim telefonieren. Dann wird zum Beispiel gelacht und aufgelegt oder jemand ruft mehrfach in den Hörer „Hallo, wer ist denn da?“ und legt dann auf oder es wird auf „Lautsprecher“ gestellt und zu Kollegen gesagt „da will uns jemand verarschen“ bevor die Leitung unterbrochen wird. Ich kann nicht leugnen, dass mich gerade diese negativen Reaktionen stark beeindrucken und es mich Überwindung kostet, überhaupt einen Anruf mit Felix zu tätigen.

Letztlich bedeutet jeder selbst erledigte Anruf auch ein Zugewinn an Selbstwirksamkeit, an Selbstvertrauen und an gutem Gefühl etwas ganz alleine geschafft zu haben. Dank Lea und dem kompad Felix fühle ich mich zumeist aber auf einer guten und unterstützenden Seite.

Oh, mein Telefon klingelt! „Hallo, hier ist Jaani, was ist der Grund des Anrufs, ich spreche mit Hilfe eines Kommunikationsgeräts, bitte legen Sie nicht auf!“

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